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der "handlungsraum" des fügsamen
bereits seit goethes zeiten ist bekannt, dass nichts auf der welt ungerechter verteilt ist als der ruhm. bekannt ist aber auch, dass es künstler*innen gibt,
deren positionierung im kunstbetrieb sich weniger den eigenen hervorbringungen verdankt als vielmehr ihrer langjährigen lebenspartnerschaft. künstler*innen,
die einen abgebrühten kunstgänger zur seite haben, der sich wohlfeil im hedonistisch-merkantilen kunstsystem mit exklusiver reichenbespaßung zu bewegen pflegt,
sind bei der etablierung ihrer arbeiten ganz klar im vorteil. selbst der erwerb einer pensionsberechtigung ist mit einer ebenso jovialen wie professoralen
beeinflussungspotenz als lebenspartner keine besondere herausforderung mehr.
haben diese beziehungsgewinnler*innen erst einmal eine funktion im lehrkörper einer hochschule übernommen, gerieren sie sich ganz
unverhohlen als kunstwärter*innen und fühlen sich bemüßigt den gesellschaftlichen "handlungsraum" der gegenwartskunst ausgerechnet jenen künstler*innen erklären
zu wollen, die gar nicht darauf erpicht sind mit den bestehenden verhältnissen d'accord zu gehen. ihnen ist offenbar völlig entgangen, dass es noch kunstschaffende
gibt, die ihre arbeit als widerstand gegen die falsche gesellschaftliche realität wohlkalkuliert einsetzen. und wer zudem auf die überwindung von entfremdungserfahrung
zielt, denkt eh nicht daran sich in zeitgeistwendiger unterwürfigkeit mit raumbezogenen applikationen zu beschäftigen, die fest zur kulturellen inneneinrichtung des
globalen geldadels gehören.
wenn nun aber künstler*innen aus persönlichen beziehungen karrierefördernden nutzen ziehen, und dazu noch die deutungshoheit über den
"handlungsraum" der kunst für sich beanspruchen, ist kaum anzunehmen, dass sie zuvor das verhältnis von künstlerischer arbeit und herrschender ideologie analysiert
und daraus eine performative widerspenstigkeit entwickelt haben, mit welcher die stille zensur kulturindustrieller hegemonieverhältnisse lautstark zu durchbrechen wäre.
das gegenteil ist zutreffend: sie passen ihre deutungsmuster und verhaltensweisen der schlechten realität geschmeidig an, verfahren dabei nach dem jahrhundertealten motto
"wes brot ich ess, des lied ich sing" und sind stets dort zur stelle, wo die kunst als türöffner für wirtschaftsinteressen zweckdienlich ist.
da es in zeiten des neoliberalismus ohnehin keinen weiterführenden gesellschaftlichen diskurs über die kulturbetrieblichen widersprüche
mehr gibt - und die definition dessen, was als kunst gilt, längst zu einer frage der ökonomischen machtverhältnisse geworden ist -, ist es für jene staatlich
alimentierten künstler*innen ein leichtes, sich mit kunstbetriebsfrommen schönsprech behaglich in dem einzurichten, was sie den "faktischen politischen raum" nennen.
hier haben sie fortwährend das gewöhnliche, bereits vorhandene, im rücken; hier bedienen sie sich wie im gemischtwarenladen, um jedes beliebige material, jedes beliebige medium,
für bedeutungsgeladene interventionen oder installationen nutzbar zu machen. eine nutzbarmachung, die, in der heteronomie dienender kunst verharrend, aus einem bewusstsein
sich speist, das den gegensatz zwischen harmonischem schein und dissonanter realität als wirkliche problematik ausschließt. und sollte in diesem kontext der unreflektierten,
den status quo stützenden zweckbestimmung das persönliche mit dem politischen verknüpft werden, ist dies eher dem willen zur selbstbevorteilung als dem zum sozialemanzipatorischen
handeln geschuldet. das persönliche wird eben dort zum politischen, das medium zur botschaft, wo kulturrelativistische inhalte mit zeitgeistkonformen ausdrucksweisen und
glaubenssätzen beliebig aufladbar sind.
die aus dieser verhaltens- und verwertungspraxis resultierenden hervorbringungen dienen sodann der bloßen illustration biografischer oder
identitätspolitischer befindlichkeiten. sie sind daher weniger ästhetischen notwendigkeiten als jenen einflussfaktoren verpflichtet, die den übersteigerten individualismus
als triebfeder des erfolgs kennzeichnen. es handelt sich folglich um arbeiten, die eine dem primat ihrer verwertbarkeit gemäße markt- und sammlungsopportune haltung implizieren,
welche mit den selbstverständigungsbedürfnissen des kunstbetriebs grundsätzlich auf konvergenz gepolt ist. als souvenirs des gelebten lebens befördern diese dann in kleinmütiger
systemimmanenz die persönliche mythenbildung. wobei außer frage steht, dass sich die unter den prämissen des willkürlichen fabrizierten arbeiten ganz vortrefflich als "handeln im
diesseits" ausdeuten und in der manier neomystischen kunstkataloggeschwurbels einem gewogenen publikum zelebrieren lassen. das ist genau der gesellschaftlich affirmative hintergrund,
vor dem besagte künstler*innen mit feinem gespür für den zeitgeist ihre themen setzen, unentwegt "dinge zusammen fügen" und dort "einpassen", wo mit dem ästhetischen populismus
als scharnier scheinbar wundersames bewirkt wird. suggeriert doch schon der individualspezifische aspekt des einpassens und zusammenfügens, dass hier magische praktiken im spiel sind.
praktiken, mit denen jede kluft zwischen phänomenen und schlussfolgerungen überbrückbar und tiefsinn vortäuschbar ist.
solche künstler*innen brauchen weder prinzipien noch überzeugungen, um mit sich und ihrer arbeit im reinen zu sein. sie begnügen sich als willige
geiseln der marktlogik mit simpler zuschreibung und krauser kuratorenlyrik, behaupten aber doch das monopol auf die stupidität ihrer von "fügungen" bestimmten bilder- und
formenwelt zu besitzen, um diese im interessendominierten "handlungsraum" problemlos exponieren und veräußern zu können. einem normativ vereinnahmten zweckraum,
der längst nicht mehr als gattungs- oder formspezifischer bereich des "ganz-anderen" fungiert, sondern als gegenstandsbereich mit eher hedonistisch-merkantiler als erkenntnisstiftender
ausrichtung. ein räumlich-gegenständlicher bereich also, in dem ein strukturell affirmativer, marktgetriebener teil der herrschenden kultur sich wohlig eingerichtet hat und die
differenz zur sozialen wirklichkeit außen vor bleibt.
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© k.s. | bln. 2018 / edit 2023 |
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symposium on systematic and constructive art, madrid - individual presentation
der nachfolgende text basiert auf einem vortrag, der von karl siegel am 08.04.1989 im centro cultural de la villa in madrid gehaltenen und um
die werkbeschreibung seiner dort ausgestellten arbeiten gekürzt wurde. mit ihm sind jene an sich selbst gelangweilten kulturbürger aufs korn genommen worden,
die zu dieser zeit die postmoderne denkverwirrung evoziert, den wahrheitsbegriff weitgehend eliminiert und den diskurs notorisch mit theorie verwechselt haben.
in einer zeit, in der die beliebigkeiten postmoderner ideenkonglomerate weite gebiete im westeuropäischen kunstbetrieb beherrschen, mögen
selbst kritische beobachter der zeitabläufe von anachronistischen eindrücken beschlichen werden, wenn junge künstler mit rationalen überlegungen
auf dem gemachten, dem prozesshaften insistieren und das experiment, die sinnliche herausforderung des materials vorantreiben, um neue
dimensionen des systematisch-konstruktiven zu erschließen.
ob die von den panegyrikern des zeitgeistes apologisierte subjektive "ich-finde-position", welche die
systematisch-konstruktive kunst der späten 1980er jahre vordergründig als anachronistische angelegenheit abqualifiziert oder mit "neo-geo" endgültig
abgehandelt wähnt, sich im kunstbetrieb als kriterium etabliert, hängt maßgeblich davon ab, inwieweit dem gedächtnis als ordnungsfaktor der ästhetik
priorität beigemessen wird. denn nur der profunde reflexive erinnerungsbestand bietet eine akzeptable vergleichsmöglichkeit, um die rational intendierte
kunstarbeit der gegenwart auf den prüfstein der geschichte zu heben.
eine nicht unerhebliche rolle bei der bewertung rationaler kunst nimmt zudem der gesellschaftliche funktionszusammenhang ein,
der ihr zugrunde gelegt wird. erst das dialektische wechselspiel zwischen dem, was im bereich der "exakten ästhetik" (max bense) inhaltlich und strukturell in
abhängigkeit vom stand der wissenschaftlichen welterfahrung und praktischen weltbewältigung geleistet wurde - und gegenwärtig auf dem höchsten
stand der technik gesellschaftlich rückvermittelt geleistet wird - ermöglicht eine betrachtung, die der systematisch-konstruktiven kunst annähernd
gerecht werden kann.
dem stehen allerdings jene subjektiv überzüchteten tendenzen entgegen, die mit einem schier grenzenlosen pluralismus
den kunstbetrieb in westeuropa dominieren und ihrerseits einen nicht zu unterschätzenden beitrag leisten, um das bereits konturlos gewordene gesamtbild
gegenwärtiger kunstproduktion zu allem überfluss noch irrational zu vernebeln. konstruktive konzepte, die, eklektizistischen anwandlungen abhold,
ein auf klarheit und gesetzmäßigkeit gerichtetes denken konkret am gegenstand der künstlerischen produktion vermitteln, werden diesen tendenzen
nicht gezielt gegenüber gestellt, sondern bedingungslos den marktgesetzen und konsumspekulationen unterworfen - wo sie günstigenfalls auf dem
niveau der offiziellen anerkennung zur wirkungslosen dekoration verkommen.
die "errungenschaften" der postmodernen gegenwart sind gekennzeichnet durch das unterminieren sozialer verantwortung
zugunsten kultureller identität. exemplarisch hierfür erscheint das verhalten des kunstbeflissenen zeitgenossen, der von einer falschen aktualität
in die nächste taumelt und nur allzugern den gesamten kunstbetrieb mit einem opulenten warenhaus verwechselt, in dem er den geständen seiner
identitätsstiftenden verehrung und besitznahme huldigt. es entspricht schließlich der grundfigur von rechts, absurditäten gegen identitäten einzutauschen.
die nun schon selbst zur geschichte gewordene tatsache, dass die kunst von kunstwissenschaftlern stetig in zeitkategorien eingeteilt wird,
bildet die grundvoraussetzung dafür, dass das kompetente urteil durch die aktualität der gerade als novum feilgebotenen kunstäußerung ersetzt wird.
so vollzieht sich in unserer schnelllebigen zeit der ominöse pluralismus der ästhetischen produktion längst dem der materiellen verschleißproduktion
analog. unter dem label des pluralen jagt ein festival der attrappen und versatzstücke das andere und armselige sperrmüllarangements erhalten
allenthalben die museale weihe - mit dem resultat, dass künstlerische produkte angehäuft werden wie zuvor schon butterberge und milchseen.
die umarmung der auf "tingeltangel" erpichten kulturgesellschaft erwürgt somit jedes produkt ernsthafter künstlerischer auseinandersetzung, das dem
schnellen glück des illusionistischen widerstrebt oder drückt es allenfalls in esoterische gefilde, wo es dem zustand der agonie
überantwortet wird.
welche funktionsbestimmung auch immer der gegenwartskunst zugrunde gelegt wird oder von marktopportunen
dienstleistungsdenkern oktroyiert werden mag, fakt ist, sie lässt sich nicht gesellschaftlich zweckfrei denken. jede kunstarbeit steht
per se im gesellschaftlichen funktionszusammenhang. in einem funktionszusammengang, in dem relevanz nicht ausschließlich durch aktualität
erzeugt wird, sondern durch grundlegungen, die fundierte kenntnis und versierte handhabung voraussetzen. eine voraussetzungslose kunstproduktion
im gesellschaftlich autonomen, quasi luftleeren raum gibt es nicht. jede kunstäußerung ist also an ein spezifisches repertoire materieller
trägerelemente gebunden und gesellschaftlich rückvermittelt - selbst die allerscheußlichste, insbesondere die.
so impliziert gerade die unter erzkapitalistischen bedingungen sich vollziehende verschiebung von
qualitätskriterien - hin zu den quantitativen bewertungsinstrumenten des marktes (der konzentration auf umsatz, rangfolgen und wenige markennamen)
- für den methodisch arbeitenden kunstproduzenten die notwendigkeit, sich eine ebenso konsistente wie kritisch reflektierende instanz zu erarbeiten,
um jeden teil seiner handlungen einem geschichtlich abgesicherten, kritisch fundierten bewusstseinsprozess zu unterstellen. eine kunstarbeit, die
nicht bloß erhaben-dekorativ oder marktgängig sein will, sondern über ihre ästhetischen implikate hinaus den anspruch erhebt kritisch zu sein,
entsteht nicht einfach durch parteilichkeit, sondern durch die reflexion auf das ganze und die suche nach emanzipatorischen veränderungen; und
dadurch kann sie gar nicht anders als partei ergreifen. aber nur dort, wo dieses postulat praktisch eingelöst wird, kann es wirklich gelingen,
den kunstimmanenten regelkreis zu durchbrechen. nur dort kann die konstruktive kunst zur enzyklopädischen (im sinne von richard paul lohse)
anancieren: zu einer kunst der vernunft, zur einer moralisierenden politischen kunst, die analyse und ordnung nicht ausschließt, sondern einbezieht.
die weiterentwicklung der rationalen kunstproduktion bedingt also geradezu jener postulate, die dem kunstproduzenten
den nötigen gesellschaftspolitischen rückhalt verschaffen, damit er nicht zum "luxusdiener" der illusteren kulturgesellschaft oder zum "dekorateur
seiner eigenen neurose" (harry kramer) verkommt. mit ihr ergibt sich ganz von selbst die moralische legitimation, der lustvollen pervertierung
logischen denkens hohn zu sprechen und den rückzug von kunstschaffenden auf die eigene einmaligkeit zu verhindern.
zudem sollte die konstruktive gegenwartskunst, die diesem anspruch gerecht werden will, sich der opportunistischen
verwässerung resistent erweisen, um nicht doch noch in den durchlauferhitzer des allgemeinen zeitgeistes zu geraten. denn sie ist nicht unbedingt
darauf konditioniert, in den goldenen grabkammern kurzlebiger kunstmoden und trends die prophylaktische kunstgeschichtliche weihe zu erheischen.
sie muss also reflexiv bleiben - und das heißt in der konsequenz, sie muss sich ihrer ausgangsfragestellung immer wieder neu vergewissern.
die ebenso kritisch wie rational ausgerichtete kunstpraxis hat folglich mit subjektiver weltsicht weniger zu tun
als mit wissenschaftlicher methodik und einsicht. zumal sie auf definierbare verhältnisse - im raum und auf der bildfläche - zielt und dabei
dem rationalitätstypus heutiger wissenschaft und technik entspricht. und das schon insofern, als sie mit der vergegenständlichung des selbst
keiner impression oder intuition folgt, sondern der systematischen erforschung mathematisch definierbarer elemente und zustände auf basis
größtmöglicher einfachheit von ausgangsgegebenheiten.
das logische machen als taktgeber der motivation, die dinge zu ändern, gerät somit
zur manifestation des existentiellen. alle meine arbeiten seit 1980, vornehmlich stahlskulpturen, sind dieser intentionalität verpflichtet und
dementsprechend nach geregelten verfahren im a priori ausgemessenen rahmen entwickelt. (...)
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© k.s. | kassel 1989 / edit, bln. 2020 |
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eins, zwei… rompza: "sehstücke" und begriffslücke in polyvalenter beziehung
"meine arbeiten sind auf das 'sehen' ausgerichtet, sind 'sehstücke'. es ist die bildsprachlich
relevante auswahl hinsichtlich des darstellens, die von mir unter dem aspekt des sehens getroffen wird.
es gilt mit der natur des sehens zu arbeiten. der akt des sehens ist nicht statisch sondern vollzieht
sich in bewegung. es entsprechen ihm polyvalenz der beziehungen von bildelementen, mediale doppeldeutigkeit,
nicht-statische räumlichkeit, farb-form-beziehungen und offene bildformen. mehrdeutigkeit nicht eindeutigkeit
ist bestimmendes prinzip."
die vorangestellten zeilen offeriert der künstler sigurd rompza anlässlich einer ausstellung, die
derzeit in bonn gezeigt wird. wer hier beim lesen etwas irritiert vermutet, dass diese sätze wohl in intellektueller
formulierungsnot verfasst wurden, wird durch frühere texte - mit denen rompza immer mal wieder den versuch
unternommen hat die banalität des eigenen tuns in einen philosophisch-legitimatorischen kontext zu stellen -
eines anderen belehrt. der unsinn hat methode. und niemand scheint zu merken, dass vornehmlich dort, wo er den "aspekt
des sehens" in den vordergrund rückt, der des begreifens in den hintergrund gerät, in "mehrdeutigkeit"
aufgelöst wird. denn "sehen" ist nun einmal das, was uns direkt bestimmt. auch und gerade bei der wahrnehmung von "offenen
bildformen" unterliegt es jener unmittelbarkeit, in der denken und verstehen zum problem werden, sofern sich die zu
betrachtenden objekte als vielschichtig aufladbar oder beliebig interpretierbar erweisen. der künstler stilisiert also das objektspezifische
"sehen" zu genau dem, was in der kultur der spätkapitalistischen gesellschaft als "verführung des auges" (esther leslie) ohnehin hegemonial
ist. der "aspekt des sehens" fungiert somit als bloßes konstrukt, mit dem das verstehen hinter die "polyvalenz der beziehungen von
bildelementen" zurück geworfen wird.
gewiss gibt es werke der tonkunst, die als "hörstücke" zur bereicherung unserer akustischen wahrnehmung ihren
wohltuenden beitrag leisten. wenn nun aber mit rompza ein vertreter der konkreten kunst daherkommt und in professoraler
attitüde "sehstücke" zur optischen wahrnehmung zelebriert, die in ihrer ganzen simplizität als pseudo-perspektivische
figurationen zu bezeichnen sind, ist das weitaus weniger wohltuend. im gegenteil: hier ist die kritisch-reflexive
betrachtung gefordert, nicht aber die in "medialer doppeldeutigkeit" schwelgende. zumal diese philosophisch frisierten binsenwahrheiten für so
ziemlich alle bewegten wie auch kalkulierten bild- und formzusammenhänge ihre gültigkeit beanspruchen können, ohne dabei eine fest umrissene verknüpfung
im gegenständlichen vorauszusetzen.
in einem anderen ausstellungskontext setzt rompza sogar noch eins drauf: er versteigt sich zu der behauptung, dass in der
konkreten kunst "entscheidungen gegen das sehen, …die natur des sehens" bereits dann sinnfällig werden, wenn "mathematische
operationsmodelle als formations- und transformationsregeln für geometrische elementarformen im aspekt des darstellens in den
vordergrund gerückt" sind, und dass sich erst bei expliziter thematisierung des sehens eine "bildsprachlich relevante auswahl
hinsichtlich des darstellens" treffen lässt.
aus derart verquasten bedingungszusammenhang, in dem das eine das andere schon insofern kategorisch ausschließt, als es nicht zum
vordergründigen thema erklärt wird, und das rätselhaft bleibt, was diese "auswahl" eigentlich begründet oder ursächlich beinhaltet,
kann wirklich nur unsinn resultieren. ein im nebulösen sich verlierender unsinn, der bei den werken der konkreten kunst die formalästhetische bedeutungskonstitution
exakt dort unterschlägt, wo diese eine mathematische kontextualisierung beansprucht. der künstler negiert also jedwede defintorische annäherung
an die konstruktive kunstarbeit, indem er sich anheischig macht zu proklamieren, dass sie in ihrer grundintention nur auf die bebilderung mathematischer gesetze abzielt. hierzu
liefert er in diffuser kategorisierung interpretationsmuster zum erstaunlichen ineinandergreifen von sehen und bewegung, um diese als rezeptive prämisse auf die
eigene arbeit zu projizieren, wo sie dann im antagonismus zwischen statik und dynamik ad absurdum geführt werden.
die begriffliche dignität, die der künstler in diesem zusammenhang so bedeutungslüstern zum ausdruck bringt, speist sich vornehmlich aus der
in-beziehung-setzung eigener hervorbringung zu ambivalenter sprachphilosophischer aussage wittgensteinscher provenienz. seine ein- und
auslassungen geraten daher zur objektspezifischen melange aus "sprachspiel" und "bildspiel", aus behauptung und
zuschreibung. einer melange, die jedem erkenntnisgeleiteten interesse an mathematischen konzepten oder konstruktiven prinzipien hohn spricht und sich in
beliebigen "farb-form-beziehungen" manifestiert, während sie ihm die eigene vortrefflichkeit suggeriert.
damit mutiert schließlich auch die von rompza mit philosophischem fingerzeig zum bestimmenden prinzip erklärte "mehrdeutigkeit"
zu einer eindeutigkeit von bedeutungshuberei, die für sich spricht und mit ludwig wittgenstein selbstredend in frage gestellt werden kann: "die anstrengung der
philosophie muss dem kampf gegen die verhexung des verstandes durch die mittel unserer sprache gelten."
dass rompza die mittel der eigenen sprache nicht im sinne wittgensteins einsetzt, wird insbesondere da deutlich, wo er sich aus falsch
verstandener pluralität in "opposition zu formalistischen tendenzen" stellt. vorausgesetzt, ein solches opponieren wird im kunstbetrieb
tatsächlich ernst genommen, wäre dem schon unter bezug auf adornos "ästhetische theorie" zu entgegnen: "die durchgeformten werke, die
formalistisch gescholten werden, sind die realistischen insofern, als sie in sich realisiert sind und vermöge dieser realisierung allein
auch ihren wahrheitsgehalt, ihr geistiges verwirklichen, anstatt bloß es zu bedeuten".
bleibt zu hoffen, dass zumindest diejenigen ausstellungsbesucher, die zur kritischen betrachtung neigen, im direkten gegenüber zu rompzas "sehstücken"
argumentatives stehvermögen zeigen.
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© k.s. | bln. 2005 / edit 2019 |
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zur exegese der kunstbetriebskunst
seit nunmehr vier jahrzehnten ist mir der kunstbetrieb auch in den tiefsten inneren produktions- und rezeptionszirkeln vertraut. immer
mal wieder ergieße ich meinen hohn und spott auf das hehre hermeneutische gefasel von experten und kulturaposteln, die aus jedem noch
so abwegigen gerümpel-arrangement hochgeistiges herauspressen und jedem noch so dämlichen rasterquadrat spirituelle relevanz zuschreiben.
doch selbst die hartnäckigsten dekuvrierungs- und entmystifizierungsbestrebungen ignoriert der kunstbetrieb genauso beharrlich wie der
vatikan die zweifel an der jungfräulichen geburt. schon deshalb erwecken die souffleure jener bedeutungshuberei, die für die
gegenwartskunst so obligatorisch ist wie ansonsten nur das amen in der kirche, immer wieder aufs neue das interesse an der
wohldistanzierten beobachtung.
wer wird schon vor einem wandbild aus orthogonalen farbkästchen, einem stuhl mit fetttupfer oder einem in
formaldehyd eingelegten tierkadaver derart ästhetisch ergriffen reagieren, dass er diese gegenstände umgehend erwerben möchte, wenn ihre
hohe bedeutung nicht schon fest ausgemacht ist und ihre feuilletonistische verehrung nicht bereits einschlägige spalten füllen würde?
gerade da erzeugt die moderne kunstkritik erstaunen: wo es ihr offenbar mühelos gelingt jedweden gemütsdekor, jedweden schwachsinn derart
ins sakrosankte zu heben, dass kaum jemand es wagt zu widersprechen oder berechtigten einspruch geltend zu machen. aber genau das ist es eben!
die moderne kunstdeutung hat eine tiefe verwandtschaft mit religiösen tabuisierungen. belange der kunst sind zu
solchen des glaubens geworden und die affinitäten zwischen ästhetischer und theologischer ausdeutungskunst frappierend. kunstwissenschaftler,
kuratoren und andere bezahlte postulierer reichern beliebige gegenstände oder objekte mit bedeutung derart an, laden sie mit wertungen und
allerlei erhellendem so auf, als käme dies von den dingen selbst.
aber auch künstler können diese außergewöhnliche strahlkraft entfalten, um ihren hervorbringungen den glanz
des überall exemplarischen und ewig gültigen zu verleihen. dieser hermachungsprozess von kunst ist aber eben nur machination und
konstrukt - also höheres marketing, das sich zuweilen auch schon mal unter der aura des renitenten offenbart.
wie man mit hilfe von fein gedrechselten sätzen dem stupiden quadratraster magisches einverleibt, dem eingelegten
hering oder dem angesammelten lebenszierrat die kunstseele einhaucht, wussten doch immer schon einige: die wandlungen von banalem brot und wein
in kunsttheologisches fleisch und blut führt in den warenfetischismus, dem die kunstreligion von jeher zugetan ist. bei entsprechender
konzentrierung kunstklerikaler aussagen gerät schließlich auch der ablasshandel des kunstbetriebs in bewegung und lässt vom berg höchster
ästhetischer erkenntnis ein bewußtseinschaffendes werk nach dem anderen ins tal der ahnungslosen gleiten.
erst einmal im inneren regelkreis des fetischisierenden marktsystems angelandet, fungiert das jeweilige werk
höchst gedeihlich als eine art blankoscheck, in den geneigte festlegungsspezialisten oder bestellte kritiker einen stellenwert eintragen.
drückt sich der zugeschriebene wert sodann in veritablen verkaufszahlen aus, ist der kunstklerus gern bereit in der karriere des künstlers
die begnadung zu entdecken und schreitet fortan zur heiligsprechung. verflucht
sei es, getrommelt und gepfiffen!
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© k.s. | bln. 2007 / edit 2018 |
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